Von 1988 bis heute
Am Anfang stand eine Ausstellung; später wurde daraus das Speicherstadtmuseum als feste Einrichtung, der die HHLA zwei Speicherböden am St. Annenufer 2 und später die aktuellen Räume Am Sandtorkai 36 zur Verfügung stellte. Mit der Unterstützung der einst in der Speicherstadt ansässigen Quartiersmannsfirma Eichholtz & Cons. konnte das Museum der Arbeit in den Jahren 1988 bis 1989 auf zwei originalen Speicherböden die Ausstellung „Speicherstadt – Baudenkmal und Arbeitsort seit 100 Jahren“ zum Jubiläum der Speicherstadt zeigen. Erst 1995 entstand aus dieser zunächst temporären Sonderausstellung ein eigenständiges, privat betriebenes Museum, das allerdings als Außenstelle dem Museum der Arbeit angegliedert blieb. Die Leitung des neuen Speicherstadtmuseums übernahm Ex-Kapitän Henning Rademacher, der von 1987 bis 1989 Volontär am Museum der Arbeit gewesen war.
Während in den folgenden Jahren immer mehr der altansässigen Unternehmen die Speicherstadt verließen, sammelte Henning Rademacher die interessantesten Stücke des aufgegebenen Inventars, um es dem Bestand des Museums hinzuzufügen. Diese Entwicklung ist heute zwar weitgehend abgeschlossen, aber noch immer finden gelegentlich neue Ausstellungsstücke den Weg in die Sammlung. So ist am neuen Standort Am Sandtorkai 36, an den das Speicherstadtmuseum im Oktober 2011 umgezogen ist, erstmals ein spezieller Briefkasten aus der Kaiserzeit zu sehen, in den Kaffeeproben eingeworfen wurden, um sie aus dem zollrechtlichen Ausland des Freihafens in das Deutsche Reich zu verschicken. Auch die silberne Maurerkelle und der Polierhammer aus demselben Material, mit denen Kaiser Wilhelm II. am 29. Oktober 1888 den Schlussstein der Speicherstadt gelegt hatte, haben als Leihgabe aus dem Hamburger Ratssilberschatz einen Ehrenplatz im Museum erhalten.
Der Umzug des Museums war Anlass, die Sammlung von Grund auf neu zu organisieren und noch besser zu präsentieren. Über die Objekte der Sammlung hinaus ist auch das Museum selbst sein eigenes Ausstellungsstück: Konnte man am ursprünglichen Standort im Block R die in früheren Jahrhunderten bewährte Holzbauweise besichtigen, zu der man bei der späteren Erweiterung der Speicherstadt aus Feuerschutzgründen zurückgekehrt war, so sieht der Besucher nun im Block L, wie der Bau der Speicherstadt begonnen hatte. Im ersten Bauabschnitt bis 1888 hatten die Ingenieure auf die seinerzeit modernste Konstruktionsweise gesetzt, wie man sie auch im Dachstuhl des 1880 eingeweihten Kölner Doms oder beim 1889 fertiggestellten Eiffelturm findet: ein Eisenfachwerk aus vernieteten Eisenträgern, die in der Fabrik vorgefertigt und vor Ort nur noch zusammengebaut wurden. Während das Stahlskelett die enormen Lasten der Speicherböden tragen musste, hatten die Backsteinmauern auch eine schmückende Funktion, wovon die Architekten der Speicherstadt mit farblich gegliederten Fassaden regen Gebrauch machten. Auf der Höhe der beiden obersten Speicherböden läuft um den Block L herum ein Fries, in dem gelbe Backsteine Muster bilden, neben Sternen auch die Ziffern des Baujahrs 1888.
Bevor die Schönheit des mehr als 120 Jahre alten Speichers wieder sichtbar wurde, mussten erst die Ein- und Umbauten früherer Jahrzehnte entfernt werden. Bei einer ersten Besichtigung wirkte der mit Gipskarton-Platten ausgekleidete, als Teppichlager genutzte Raum noch sehr nüchtern und ließ nichts von dem erkennen, was die Architektur eines Speichers ausmachte. Aber auch nachdem seine ursprüngliche Gestalt so weit wie möglich wiederhergestellt war, blieben Details erhalten, die an die früheren Mieter erinnern. Der aufmerksame Besucher kann beispielsweise eine in den Fußboden eingelassene Windrose entdecken, mit der sich die Gebetsrichtung nach Mekka bestimmen ließ.
Das nach dem Umzug völlig neu gestaltete und konzipierte Museum wird von den Besuchern sehr gut angenommen. Der Umzug mit den ihm vorausgehenden Umbauten stellte allerdings eine große finanzielle Belastung für das Speicherstadtmuseum dar, das zwar einen Zuschuss der Stiftung Historische Museen Hamburg für die Neugestaltung der Ausstellung erhielt, den größten Teil der Kosten, insbesondere für den Ausbau der neuen Flächen, aber selbst tragen musste. Obwohl die Stiftung, zu der das Museum der Arbeit mit seinen Außenstellen zählt, damit auch Trägerin des Speicherstadtmuseums ist, erhält es keine öffentlichen Mittel zur Förderung des laufenden Betriebs und muss sich privat finanzieren. Als Freunde des Speicherstadtmuseums tragen wir mit unseren Aktionen dazu bei, die Existenz und den weiteren Ausbau des Museums zu sichern.